Das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 wird insbesondere in Rz. 102-123 beschrieben.
Es wird eine Aufteilung in ein subjektives und ein objektiviertes Ertragswertverfahren gemacht.
Die subjektive Ausprägung wird in Rz. 123 beschrieben. Neben dieser subjektiven Ausprägung gibt es das
objektivierte Ertragswertverfahren (Rz. 114-122), welches folgend beschrieben wird.
Das Vorgehen des objektivierten Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 erfolgt vereinfacht dargestellt folgendermaßen:
- Es wird ein Planungszeitraum festgelegt (z.B. 5 Jahre) und danach wird eine ewige Rente (oder ein Barwert) angesetzt.
- Es werden Planbilanzen und Plan-GuVs erstellt, um den nachhaltigen Gewinn zu ermitteln.
- Der Kalkulationszins wird bestimmt und aus einem Modell namens Tax-CAPM (Brennan, 1970) abgeleitet. Konkret wird ein risikoloser Basiszins bestimmt, welcher durch einen
Risikoaufschlag ergänzt wird (Marktrisikoprämie*Betafaktor). Dieser Zinssatz wird anschließend mit einem (typisierten) personalisierten Steuersatz abgezinst. Weiter wird der Zinssatz bei der ewigen Rente
um einen Wachstumsfaktor korrigiert.
- Der Nettogeldfluss wird mit dem errechneten Kalkulationszins abgezinst.
Planungsperiode
- Basiszins +
- Marktrisikoprämie * Betafaktor =
- Bruttozinssatz
- Bruttozins * (1 - Steuersatz) =
- Nettozins
Am Planungshorizont (ewig)
- Basiszins +
- Marktrisikoprämie * Betafaktor =
- Bruttozinssatz
- Bruttozins * (1 - Steuersatz) -
- Wachstumsrate =
- Nettozins
Die Vorgehensweise ist ähnlich wie beim subjektiven Ertragswertverfahren (nach IDW S 1).
Der Unterschied ist, dass nicht der individuelle Kalkulationszins, sondern ein objektivierter Zinssatz,
bestehend aus Basiszins + Marktrisikoprämie * Betafaktor, die Ausgangsbasis bildet. Der Wert ist somit zwar "objektiver",
aber für das Bewertungssubjekt irrelevant. Detaillierte und treffende Kritik, warum das objektivierte Ertragswertverfahren
nach IDW S 1 nicht zu Entscheidungszwecken verwendet werden sollte, finden Sie bei Matschke und Brösel (2013).
Hier soll dies anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Der Bruttogeldfluss beträgt bei dem Unternehmen 12000 GE und 8400 GE nach Steuern (30%).
Der Geldfluss entwickelt sich gemäß der Inflation von 2%.
Bei dem subjektiven Ertragswertverfahren (nach IDW S 1) wird der Zinssatz für 5% vor und nach Steuern von (25%) 3.75% festgelegt.
Diese bekommt er auch wirklich von seiner Hausbank. Der Wert beträgt 8400/(0.0375-0.02) = 480000 GE. Wie das Beispiel zeigt, gleicht der Verkaufspreis
durch die Zinserträge den entgangenen Geldfluss aus. Eine Risikoberücksichtigung wird in dem Beispiel aufgrund subjektiv sicherer Erwartungen nicht vorgenommen (Erwartungswert).
Tabelle 6: Unternehmenswert Berechnung Ertragswertverfahren (subjektiv)
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|
Vermögen | 480000 | 489600 | 499392 | ... |
Zinsertrag brutto | 24000 | 24480 | 24969.6 | ... |
Steuern | -6000 | -6120 | -6242.4 | ... |
Entnahme | -8400 | -8568 | -8739.36 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Für das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 in seiner objektiven Ausprägung gelte ein Basiszinssatz von 4%
und ein Marktrisiko von 4.5%. Diese Daten, wie auch der Betafaktor von 1.05, würden normalerweise aus dem Model TAX-CAPM abgeleitet.
Zusammengerechnet und um Steuern korrigiert ergibt sich der Zins von (0.04+0.045*1.05)*(1-0.25) = 6.54%.
Es ergibt sich ein Wert von 8400/(0.0654-0.02) = 184869.36 GE.
Das objektivierte Ertragswertverfahren nach IDW S 1 impliziert, dass die Alternativanlage in der gleichen Risikoklasse mit dem gleichen Verschuldungsgrad stattfindet.
Tabelle 7: Unternehmenswert Berechnung Ertragswertverfahren nach IDW S 1 (objektiviert)
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|
Vermögen | 184869.36 | 182939.75 | 180774.64 | ... |
Zinsertrag brutto | 9243.47 | 9146.99 | 9038.73 | ... |
Steuern | -2310.87 | -2286.75 | -2259.68 | ... |
Entnahme | -8400 | -8568 | -8739.36 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Das Bewertungssubjekt legt sein Geld jedoch bei der Hausbank an und versucht den gleichen Entnahmestrom wie vor dem Verkauf zu erhalten.
Sein Vermögen verringert sich jedes Jahr, da die Zinserträge nicht ausreichen, um den Entnahmestrom auszugleichen. Der Grund ist,
dass das objektivierte Ertragswertverfahren nach IDW S 1, wie auch die DCF-Methode,
nicht auf die wirkliche Alternativanlage des Subjektes achtet, sondern auf eine fiktive Anlage am Kapitalmarkt. Entscheidungen sollten daher nicht auf
dem objektivierten Ertragswertverfahren nach IDW S 1 basieren. Wohl aber bietet dieses eine gute Argumentationsgrundlage, da es in Deutschland weit verbreitet und angesehen ist.
Es mag kritisiert werden, dass die Zahlen in diesem Beispiel willkürlich bestimmt sind, aber dennoch zeigt es folgendes sehr gut auf. Der Unternehmenswert,
welcher mithilfe des objektivierten Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 und nicht des subjektiven Ertragswertverfahrens (nach IDW S 1) berechnet wurde,
stimmt höchstens zufällig mit dem Entscheidungswert überein. Fehlentscheidungen passieren häufig. Abweichungen sind nach oben und auch nach unten möglich.
Mehr Information zu einer Unternehmensbewertung und einem Gutachten nach IDW S 1 finden Sie in der Verlinkung.