Das Ertragswertverfahren (auch Zukunftserfolgswertverfahren) ist eine heuristische Methode der Unternehmensbewertung, um den Wert eines Unternehmens (Bewertungsobjekt) zu ermitteln. Dazu wird der zukünftige Nettogeldfluss mithilfe eines steuerkorrigierten Kalkulationszins abgezinst und auf einen Wert verdichtet.
Das Ertragswertverfahren kann in das subjektive Ertragswertverfahren (nach IDW S 1), das objektivierte Ertragswertverfahren nach IDW S 1, das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 202 BewG und das Ertragswertverfahren nach §§ 27-34 ImmoWertV unterteilt werden.
Bei dem subjektiven Ertragswertverfahren (nach IDW S 1) wird der Nettogeldfluss mit einem individuellen steuerkorrigierten Kalkulationszins (endogener Grenzzinsfuß) des Betroffenen in der jeweiligen Periode abgezinst. Gegebenenfalls wird der Nettogeldfluss um einen Risikoabschlag korrigiert oder der Kalkulationszins wird um einen Risikozuschlag erhöht. Das subjektive Ertragswertverfahren gab es es schon lange vor dem IDW S 1 und ist das ursprüngliche bzw. originäre Ertragswertverfahren.
Das objektivierte Ertragswertverfahren nach IDW S 1 leitet den Basiszins und das Risiko (Marktrisikoprämie*Betafaktor) aus einem Modell names Tax-CAPM ab, welcher anschließend steuerkorrigiert zur Abzinsung des Nettogeldflusses verwendet wird.
Das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 202 BewG entstammt dem deutschen Steuerrecht. Der Gewinn der letzten drei Jahre wird korrigiert, aufsummiert, durch drei geteilt und pauschal mit 30% versteuert. Dieser nachhaltige Gewinn wird derzeit mit einem Kapitalisierungsfaktor von 13.75 multipliziert, was einem Kalkulationszins von 7.27% entspricht. Der Kapitalisierungsfaktor kann durch den Kehrwert des Kalkulationszinses berechnet werden und vice versa.
Das Ertragswertverfahren nach §§ 27-34 ImmoWertV sei separat bei dem Ertragswertverfahren nach ImmoWertV erklärt.
Das subjektive Ertragswertverfahren (nach IDW S 1) wird anhand eines einfachen Beispiels erklärt. Zu viel „Theorie“ soll an dieser Stelle gemieden werden. Dieses Beispiel wird Stück für Stück um neue Aspekte erweitert. Es wird die englische Schreibweise für Zahlen verwendet, d.h. Punkt und Komma werden vertauscht.
Ein Unternehmen ermöglicht einen Geldfluss von 12000 Geldeinheiten (GE) pro Jahr an den Eigentümer. Es wird erstmal von Wachstum und Steuern abgesehen. Der Anlagezins (endogener Grenzzinsfuß) liegt bei 5%. Wird das Unternehmen verkauft, so muss der gleiche Geldfluss durch eine alternative Anlage des Verkaufspreises realisiert werden.
Wenn 240000 GE bei einer Bank mit 5% angelegt werden, so erhält man ebenfalls 240000*0.05 = 12000 GE pro Jahr. Der Wert des Unternehmens beträgt also 240000 GE. Mathematisch wird das folgendermaßen berechnet 12000/0.05 = 240000 GE. Es handelt sich um eine ewige Rente.
Bei einem Wert von 240000 GE kann das Geld aus dem Unternehmen durch eine Bankanlage ausgetauscht werden, ohne das ein Nachteil oder ein Vorteil entsteht.
Tabelle 1: Unternehmenswert Berechnung Ausgangsszenario
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|---|---|---|---|
Vermögen | 240000 | 240000 | 240000 | ... |
Zinsertrag | 12000 | 12000 | 12000 | ... |
Entnahme | -12000 | -12000 | -12000 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Wichtig ist, dass für die Berechnung der Kalkulationszins, in der Fachsprache der endogene Grenzzinsfuß, für die Berechnung verwendet wird. Bei einem Verkauf ist dies oft ein Habenzins (Anlagezins), es sei denn, dass nur ein Teil von verzinslichen Schulden abgebaut wird. Bei einem Kauf ist es oft der Sollzins (Kreditzins), es sei denn, dass der Kauf ausschließlich aus eigenen Mitteln erfolgt. Der endogene Kalkulationszins muss pro Periode abgeschätzt werden und liegt bei unendlicher Anlage- und Kreditaufnahmemöglichkeit zwischen Haben- und Sollzins. In Beispielen wird oft ein Habenzins von 5% und ein Sollzins von 10% verwendet. Der endogene Grenzzinsfuß ist ein Nettozins. Da in dem obigen Beispiel keine Steuern anfallen, ist der Nettozins gleich dem Bruttozins.
Das Ausgangsbeispiel wird um Wachstum erweitert. Der Geldfluss des Unternehmens steigt jährlich um 2% (Inflation). Es soll ein Kaufkraftausgleich stattfinden. Der Wert wird folgendermaßen ermittelt:
12000/(0.05-0.02) = 400000 GE. Das Unternehmen ist 400000 GE wert. Konkret kann nicht der ganze Zinsertrag ausgeschüttet werden, da die Anlage erhöht werden muss, um die Steigerung des Geldflusses auszugleichen.
Wenn der Anlagezins jetzt um die Inflationsrate gestiegen wäre (5%+2%=7%), so würde das Unternehmen 12000/(0.07-0.02) = 240000 GE wert sein. In der Praxis ist der Zins stark von der Inflation abhängig.
Tabelle 2: Unternehmenswert Berechnung ink. Wachstum
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|---|---|---|---|
Vermögen | 400000 | 408000 | 416160 | ... |
Zinsertrag | 20000 | 20400 | 20808 | ... |
Entnahme | -12000 | -12240 | -12484.8 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Folgend wird das Ausgangsbeispiel um Steuern erweitert. (Wachstum wird erst mal wieder ausgeklammert.) Der Steuersatz auf den Geldfluss liegt bei 30%. Der Ertrag aus der Zinsanlage wird vorerst nicht besteuert.
Der Nettogeldfluss beträgt 12000GE*(1-0.3) = 8400 GE.
Das Unternehmen ist folglich 8400/0.05= 168000 GE wert und damit niedriger bewertet als im Ausgangsszenario.
Gehen wir nun davon aus, dass auch der Zinsertrag versteuert wird und zwar mit 25%. Der Nettozinssatz beträgt somit 0.05*(1-0.25) = 0.0375. Das Unternehmen ist folglich 8400/0.0375 = 224000 GE wert.
Warum ist der Wert höher als in der Ausgangssituation? Da der Zinsertrag besteuert wird und der Nettoertrag somit geringer ist, muss der Ausgangsbetrag für die Zinsanlage höher sein.
Anmerkung: Bei einer korrekten Ermittlung des Nettozinses müssen die jeweiligen Steuern berücksichtigt werden. Es gibt spezielle Steuerformeln für z.B. natürliche Personen, für Kapitalgesellschaften und für Personengesellschaften. Diese sind immer an ein Rechtssystem und an einen Zeitraum gebunden. Da die Ermittlung recht tiefgreifende Kenntnisse des Steuerrechts voraussetzt, sollen diese hier nicht weiter vertieft werden. Bei Bedarf sei auf Schneeloch et al. (2020) verwiesen.
Tabelle 3: Unternehmenswert Berechnung ink. Steuern
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|---|---|---|---|
Vermögen | 224000 | 224000 | 224000 | ... |
Zinsertrag brutto | 11200 | 11200 | 11200 | ... |
Steuern | -2800 | -2800 | -2800 | ... |
Entnahme | -8400 | -8400 | -8400 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Das Ausgangsbeispiel wird jetzt sowohl um Wachstum als auch um Steuern erweitert. Wenn sowohl Wachstum und Steuern berücksichtigt werden, so ergibt sich der Wert des Unternehmens folgendermaßen:
8400/(0.0375-0.02) = 480000 GE. Die Berechnung setzt voraus, dass der Geldfluss um 2% steigt, aber auch einer Besteuerung von 30% unterliegt.
Tabelle 4: Unternehmenswert Berechnung inkl. Wachstum und Steuern
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|---|---|---|---|
Vermögen | 480000 | 489600 | 499392 | ... |
Zinsertrag brutto | 24000 | 24480 | 24969.6 | ... |
Steuern | -6000 | -6120 | -6242.4 | ... |
Entnahme | -8400 | -8568 | -8739.36 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Risiko kann insbesondere auf zwei verschiedene Wege in die Berechnung mit einbezogen werden. Erstens durch einen niedrigeren Geldfluss (Sicherheitsäquivalentmethode) und zweitens durch einen höheren Zinssatz (Risikozuschlagsmethode) (Terstege, 2023). Beide Wege lassen sich ineinander umrechnen. Der niedrigere Geldfluss erfasst das Risiko explizit, während ein Risikozuschlag auf den Kalkulationszins das Risiko implizit erfasst.
Der Geldfluss wird in der Zahlungsreihe korrigiert und beträgt nun nur noch 10000 GE. Folglich werden nach Steuern (30%) 7000 GE angesetzt. Der Wert des Unternehmens beträgt 7000/(0.0375-0.02) = 400000 GE.
Der Geldfluss wird weiter mit 12000 GE vor Steuern und 8400 GE nach Steuern angesetzt. Jedoch wird ein Risikoaufschlag von 0.35% unterstellt. Der Unternehmenswert beträgt 8400/(0.0375-0.02+0.0035)=400000 GE. Der Risikoaufschlag wurde in diesem Beispiel durch eine mathematische Umformung errechnet.
Problematisch bei dem Risikoaufschlag ist, dass Risiko in den zukünftigen Perioden über den Zinseszins überproportional ins Gewicht fällt. Eine explizite Erfassung in der Zahlungsreihe, im Sinne von Szenarien, ist besser schätzbar und beugt unnötige Schätzungsfehler vor.
Es sei auf die obige Tabelle 4 hingewiesen. Gedanklich wird „einfach“ der Geldfluss durch den risikokorrigierten Geldfluss ausgetauscht.
Gehen wir nun davon aus, dass der Geldfluss weiterhin gemäß der Inflation wächst und mit 30% besteuert wird. Risiko ist nicht vorhanden und wenn, würde es im Geldfluss direkt korrigiert. Der Anlagezins beträgt aber im Jahr eins 7%, im Jahr zwei 6%, und ab Jahr drei 5% (ewige Rente). Der Anlagezins wird wieder mit 25% besteuert, sodass der Nettozins bei 5,25%, 4.5% und 3.75% liegt. Jede Periode und am Ende die ewige Rente, muss einzeln abgezinst werden. Auch Zinseszinsen werden berücksichtigt.
Jahr 1: 8400 * (1+0.0525)^-1 = 7981 GE
Jahr 2: 8568 * (1+0.045)^-1 * (1+0.0525)^-1 =7790.06 GE
Jahr 3: 8739.36/(0.0375-0.02) * (1+0.045)^-1 * (1+0.0525)^-1 = 437638.06 GE
Die Summe beträgt 469820.55 GE. Das ist der Betrag, der angelegt werden muss, um den gleichen Geldfluss wie durch das Unternehmen zu erhalten. Das Beispiel verdeutlicht dies. Es ist zu sehen, dass die Daten ab Jahr 3 in Tabelle 5 mit den Daten aus Tabelle 4 übereinstimmen.
Merke: Der Planungszeitraum wird in einen klar planbaren Zeitraum wie z.B. 5-10 Jahre unterteilt und danach wird am Planungshorizont eine ewige Rente angesetzt.
Tabelle 5: Unternehmenswert Berechnung mit mit detaillierter Planungsperiode
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|---|---|---|---|
Vermögen | 469820.55 | 486086.12 | 499392 | ... |
Zinsertrag brutto | 32887.44 | 29165.17 | 24969.6 | ... |
Steuern | -8221.86 | -7291.29 | -6242.4 | ... |
Entnahme | -8400 | -8568 | -8739.36 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Hier sei die Formel für den Abzinsungsfaktor dargestellt. ρ steht für den Abzinsungsfaktor, t für das jeweilige Jahr, τ ist eine Laufvariable für die Zeit, i für den Zins und r für das Risiko. Wird das Risiko im Zahlungsstrom durch einen Abschlag berücksichtigt, so darf kein Risikoaufschlag auf den Zins erfolgen.
Die Abzinsung des Geldflusses eines Unternehmens mit ewiger Lebensdauer wird durch folgende Formel dargestellt. Der erste Teil zeigt die Abzinsung im Planungszeitraum auf, und der zweite Teil steht für die Rente am Planungshorizont. C steht für den Kapitalwert, t für das jeweilige Jahr, T für die den Planungszeitraum, e für den Geldfluss, ω für die Wachstumsrate.
Wird von einer begrenzten Lebensdauer anstelle einer ewigen Lebensdauer ausgegangen, wird am Planungshorizont wird ein Barwert angesetzt. n steht für die Jahre.
Das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 wird insbesondere in Rz. 102-123 beschrieben. Es wird eine Aufteilung in ein subjektives und ein objektiviertes Ertragswertverfahren gemacht. Die subjektive Ausprägung wird in Rz. 123 beschrieben. Neben dieser subjektiven Ausprägung gibt es das objektivierte Ertragswertverfahren (Rz. 114-122), welches folgend beschrieben wird.
Das Vorgehen des objektivierten Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 erfolgt vereinfacht dargestellt folgendermaßen:
Planungsperiode
Basiszins +
Marktrisikoprämie * Betafaktor =
Bruttozinssatz
Bruttozins * (1 – Steuersatz) =
Nettozins
Am Planungshorizont (ewig)
Basiszins +
Marktrisikoprämie * Betafaktor =
Bruttozinssatz
Bruttozins * (1 – Steuersatz) –
Wachstumsrate =
Nettozins
Die Vorgehensweise ist ähnlich wie beim subjektiven Ertragswertverfahren (nach IDW S 1). Der Unterschied ist, dass nicht der individuelle Kalkulationszins, sondern ein objektivierter Zinssatz, bestehend aus Basiszins + Marktrisikoprämie * Betafaktor, die Ausgangsbasis bildet. Der Wert ist somit zwar „objektiver“, aber für das Bewertungssubjekt irrelevant. Detaillierte und treffende Kritik, warum das objektivierte Ertragswertverfahren nach IDW S 1 nicht zu Entscheidungszwecken verwendet werden sollte, finden Sie bei Matschke und Brösel (2013).
Hier soll dies anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Der Bruttogeldfluss beträgt bei dem Unternehmen 12000 GE und 8400 GE nach Steuern (30%). Der Geldfluss entwickelt sich gemäß der Inflation von 2%.
Bei dem subjektiven Ertragswertverfahren (nach IDW S 1) wird der Zinssatz für 5% vor und nach Steuern von (25%) 3.75% festgelegt. Diese bekommt er auch wirklich von seiner Hausbank. Der Wert beträgt 8400/(0.0375-0.02) = 480000 GE. Wie das Beispiel zeigt, gleicht der Verkaufspreis durch die Zinserträge den entgangenen Geldfluss aus. Eine Risikoberücksichtigung wird in dem Beispiel aufgrund subjektiv sicherer Erwartungen nicht vorgenommen (Erwartungswert).
Tabelle 7: Unternehmenswert Berechnung Ertragswertverfahren (subjektiv)
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|---|---|---|---|
Vermögen | 480000 | 489600 | 499392 | ... |
Zinsertrag brutto | 24000 | 24480 | 24969.6 | ... |
Steuern | -6000 | -6120 | -6242.4 | ... |
Entnahme | -8400 | -8568 | -8739.36 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Für das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 in seiner objektiven Ausprägung gelte ein Basiszinssatz von 4% und ein Marktrisiko von 4.5%. Diese Daten, wie auch der Betafaktor von 1.05, würden normalerweise aus dem Model TAX-CAPM abgeleitet. Zusammengerechnet und um Steuern korrigiert ergibt sich der Zins von (0.04+0.045*1.05)*(1-0.25) = 6.54%.
Es ergibt sich ein Wert von 8400/(0.0654-0.02) = 184869.36 GE.
Das objektivierte Ertragswertverfahren nach IDW S 1 impliziert, dass die Alternativanlage in der gleichen Risikoklasse mit dem gleichen Verschuldungsgrad stattfindet.
Tabelle 8: Unternehmenswert Berechnung Ertragswertverfahren nach IDW S 1 (objektiviert)
Bezeichnung | Jahr 1 | Jahr 2 | Jahr 3 | Jahr... |
---|---|---|---|---|
Vermögen | 184869.36 | 182939.75 | 180774.64 | ... |
Zinsertrag brutto | 9243.47 | 9146.99 | 9038.73 | ... |
Steuern | -2310.87 | -2286.75 | -2259.68 | ... |
Entnahme | -8400 | -8568 | -8739.36 | ... |
Quelle: eigene Darstellung.
Das Bewertungssubjekt legt sein Geld jedoch bei der Hausbank an und versucht den gleichen Entnahmestrom wie vor dem Verkauf zu erhalten. Sein Vermögen verringert sich jedes Jahr, da die Zinserträge nicht ausreichen, um den Entnahmestrom auszugleichen. Der Grund ist, dass das objektivierte Ertragswertverfahren nach IDW S 1, wie auch die DCF-Methode, nicht auf die wirkliche Alternativanlage des Subjektes achtet, sondern auf eine fiktive Anlage am Kapitalmarkt. Entscheidungen sollten daher nicht auf dem objektivierten Ertragswertverfahren nach IDW S 1 basieren. Wohl aber bietet dieses eine gute Argumentationsgrundlage, da es in Deutschland weit verbreitet und angesehen ist.
Es mag kritisiert werden, dass die Zahlen in diesem Beispiel willkürlich bestimmt sind, aber dennoch zeigt es folgendes sehr gut auf. Der Unternehmenswert, welcher mithilfe des objektivierten Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 und nicht des subjektiven Ertragswertverfahrens (nach IDW S 1) berechnet wurde, stimmt höchstens zufällig mit dem Entscheidungswert überein. Fehlentscheidungen passieren häufig. Abweichungen sind nach oben und auch nach unten möglich.
Mehr Information zu einer Unternehmensbewertung und einem Gutachten nach IDW S 1 finden Sie in der Verlinkung.
Das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 202 BewG zielt auf eine pauschalisierte Wertermittlung ab.
Anmerkungen: Der Kaptialisierungsfaktor von 13.75 entspricht einem Zinssatz 7.27%. „Irgendwo“ in diesem befindet sich ein sogenannter Basiszins, eine Risikoprämie und die Wachstumsrate, da Kalkulationszins = Basiszins – Wachstumsrate + Risikoprämie gilt. Der fiktive nachhaltige Gewinn nach Steuern wird ja nicht in der Zahlungsreihe korrigiert.
Das vereinfachte Ertragswertverfahren nach §202 BewG ermöglicht im Steuerrecht eine erhebliche Arbeitserleichterung durch eine Typisierung. Investitionsentscheidungen sollten keinesfalls auf dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach §202 BewG beruhen, da es allerlei theoretische Mängel gibt, welche teilweise im nächsten Unterpunkt mitbeschrieben werden.
Hier haben Sie die Möglichkeit einen Rechner für das Ertragswertverfahren zu nutzen. Der Nettogeldfluss ist eine Zahlenreihe (Vektor). Die Nettozinssätze und Risikoaufschläge sind auch in Vektoren. Wenn jedoch eine einzelne Zahl eingegeben wird, so wird diese jeweils auf die Länge des Vektors des Geldflusses erweitert. Der Risikoaufschlag ist optional. Die Wachstumsrate ist eine Zahl. Falls am Planungshorizont keine ewige Rente angegeben werden soll, kann die Anzahl der Jahre am Planungshorizont für einen Barwertfaktor eingegeben werden. Die letzten Zahlen in den jeweiligen Vektoren (Nettogeldfluss, Nettozinssätze, Risikoaufschläge) sind für die ewige Rente oder den Barwertfaktor am Planungshorizont relevant.
Ergebnis:
Das Ertragswertverfahren kann aus einem Totalmodell hergeleitet werden. Ein Totalmodell kann man sich als eine Art vollständigen Finanzierungsplan vorstellen, welcher Interdependenzen (Abhängigkeiten) zwischen Investitions- und Finanzierungsobjekten berücksichtigt. Die Verwendung des Geldes wird mithilfe eines mathematischen Verfahrens (Operations Research) optimiert. Eine sogenannte duale Lösung (Dualvariablen) offenbart den kritischen Zins (endogener Grenzzinsfuß) einer jeweiligen Periode.
Dieser endogene Kalkulationszins wird bei dem Ertragswertverfahren geschätzt, indem man sogenannte Grenzobjekte in den jeweiligen Perioden ausfindig macht. In dem obigen Beispielen war es der Anlagezins von 5%, welcher steuerkorrigiert bei 3.75% lag. Bei der Kreditaufnahme wäre es der steuerkorrigierte Kreditzins.
Das Ertragswertverfahren stellt eine starke Vereinfachung der funktionalen Unternehmensbewertung dar. Für die vollständige theoretische Herleitung sei auf Laux und Franke (1969), Hering (2017), Hering (2021), Matschke und Brösel (2013) und Bitz et al. (2018) verwiesen.
Für eine Zahlung des Preises als Rate oder als Annuität sei auf Toll (2011) und für eine Inkludierung progressiver Steuersätze und Verlustvorträge in Bewertungsmodellen sei auf Walochnik (2021) verwiesen (funktionale Unternehmensbewertung).
Zu dem Ursprung des Ertragswertverfahrens, der Entwicklung der Unternehmensbewertung und dem Objektivismusstreit sei auf die Dissertation von Quill (2016) verwiesen, welche einen ausgezeichneten Überblick ermöglicht.
Bitz, M., Ewert, J. & Terstege, U. (2018). Investition (3. Aufl.). Springer Gabler.
Hering, T. (2017). Investitionstheorie (5. Aufl.). De Gruyter Oldenbourg.
Hering, T. (2021). Unternehmensbewertung (4. Aufl.). De Gruyter Oldenbourg.
Quill, T. (2016). Interessengeleitete Unternehmensbewertung. Springer Gabler.
Terstege, U, Bitz, M. & Ewert, J (2023). Investitionsrechnung klipp & klar. Springer Gabler.